Zollsenkungen könnten eher die Ruhe vor dem Sturm sein
Gespräche über eine Lösung im Zollstreit schienen im Mai für Entspannung zu sorgen. Während die USA ihre Zölle auf chinesische Waren von 145 auf maximal 30 % senkten, kündigte die Volksrepublik eine Senkung auf 10 % bei ausgewählten Einfuhren an. An einen dauerhaften Wegfall der Handelsbeschränkungen glauben Insider nicht. Unter anderem deshalb, weil Trump in US-Medien Ansehen einbüßen könnte. Stattdessen gehen Experten davon aus, dass Zölle bis zum Ende der zweiten Amtszeit Trumps ein Thema bleiben werden. Noch fallen die Wachstumserwartungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) hinsichtlich des Pro-Kopf-BIP konstant aus.

Das Medienunternehmen Bloomberg hat kürzlich 22 Experten von Banken, Fonds und Instituten aus Europa, den USA und Asien nach ihren Einschätzungen gefragt. Die Teilnehmer waren sich einig – Trump werde bis zu den nächsten Wahlen wahrscheinlich an höheren Zöllen festhalten. DNB Bank-Analystin Kelly Chen findet eine nachvollziehbare Erklärung, weshalb keine langfristige Einigung zwischen China und den USA zu erwarten sei. Es fehle an der nötigen Zeit, um die Positionen beider Länder im Wesentlichen zu korrigieren und so mehr als „oberflächliche Abkommen“ in Angriff zu nehmen. Zu wenig Zeit, da 2026 die Midterm-Wahlen anstehen. Diese könnten die Machtverhältnisse bereits verschieben. Denn die Zölle verunsichern Verbraucher, Unternehmen und Börsen gleichermaßen. Bester Beweis waren die Ausschläge an den Finanzmärkten nach Verkündung der Zollpause zwischen den USA und der EU. Nicht nur die Deutsche Börse und die Wall Street markierten starke neue Rekordhochs.
Die Hoffnung der US-Demokraten wächst
Profitieren könnten am Ende die Demokraten. Zudem hat Trump inzwischen eine ganze Reihe seiner Wahlversprechen relativiert. Aussagen des Präsidenten, die Bevölkerung müsse geduldig auf den Aufschwung warten, dürften in der Wählerschaft nicht auf fruchtbaren Boden fallen. Es ist wohl vor allem diese Unsicherheit, die Trump früher als gedacht Probleme bereiten könnte. Das Weiße Haus wiegelt einstweilen ab. Ganz nach dem Motto: „Es muss erst schlimmer werden, bevor es besser wird.“ Die Federal Reserve Bank in Atlanta ging bereits im 1. Quartal von einer rückläufigen Wirtschaftsleistung im Jahr 2025 aus. In einigen Prognosen ist gar vom Schreckgespenst des drohenden Staatsbankrotts die Rede. Als Argument wird explizit die Zollpolitik genannt, die als Hinweis auf die massiven wirtschaftlichen Probleme der USA angeführt wird. Der Hintergedanke ist, dass Trump die Zölle zum Ausgangspunkt eines – wie auch immer gearteten – Rettungsplans machen möchte.
Europa darf sich nicht den Schneid abkaufen lassen
Schlussendlich ist es Trumps Unberechenbarkeit, die Experten Sorgen bereitet. Selbst wenn sich der Präsident zu Vereinbarungen mit China durchringen sollte: Sam Jochim, Ökonom beim Unternehmen EFG Asset Management, betont die Erfahrungen aus Trumps erster Amtszeit. Mildere Töne dürfen nicht als Garantie verstanden werden. Ein Präsident, für den Übereinkünfte eher Orientierung denn verbindlich sind, sei brandgefährlich. Peking ist sich dessen bewusst und strebt neue Partnerschaften und den Ausbau bisheriger Aktivitäten an. Zu spüren bekommt dies die europäische Stahlbranche. Der Druck durch billige Produkte aus China steigt. Auch deshalb arbeitet die EU an neuen Freihandelsabkommen. Ihre guten Beziehungen zu den USA hat die Union aber noch nicht abgeschrieben. Was jedoch nicht nur Österreichs Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer ausschließt, sind Vereinbarungen um jeden Preis. Dafür sei Europas Markt für die Vereinigten Staaten schlicht zu wichtig. Die von Trump in Richtung Europa als „Aufschub“ titulierte Aussetzung geplanter neuer Zölle auf europäische Waren bis zum Juli lässt hoffen. Hoffen dahingehend, dass es in den USA doch noch gesundes Empfinden für die Bedeutung der EU als Partner geben könnte.