EU und Großbritannien suchen den Schulterschluss
Die Verhandlungen über das Abkommen zwischen den beiden Wirtschaftszonen waren zum Redaktionsschluss zwar noch nicht vollständig abgeschlossen. Trotzdem ließ es sich die Kommissionspräsidentin nicht nehmen, die Ergebnisse der Gespräche als historische Einigung zu bezeichnen. In einem Punkt ist diese Bewertung zutreffend. Schließlich handelt es sich um das große Abkommen nach dem Brexit. Ein zentrales Ziel: Unternehmen aus Großbritannien sollen künftig Mitglied der europäischen Sicherheitspartnerschaft sein. Auch in puncto Lebensmittelsicherheit soll wieder ein gemeinsamer Weg beschritten werden und Einigungen mit geringerem Bürokratieaufwand erlauben. Dass Großbritannien durch die Annäherung zur Akzeptanz der strengen Brüsseler Regularien gezwungen sein wird, stößt erwartungsgemäß auf Kritik. Nicht allein bei erklärten Brexit-Befürwortern.
Die Regierung des britischen Premierministers Keir Starmer sah in den Vereinbarungen einen „Meilenstein für die bilateralen Beziehungen“. Hinsichtlich der Versorgung auf dem Rohstoffmarkt europäischer Marktteilnehmer halten sich die Folgen des Abkommens fraglos in Grenzen. So sinnvoll ein europäischer Zusammenhalt in der Krise ist, den Ton wird der Verlauf der Weltwirtschaft angeben. Der Internationale Währungsfonds passte seine Vorhersagen für die ökonomische Entwicklung Anfang des 2. Quartals nochmals an.
Die Weltwirtschaft werde 2025 bedingt durch den Handelsstreit nur um 2,8 % (bisher: 3,3 %) wachsen. Den Wirtschaften der USA und Chinas sagten die Analysten inzwischen ebenfalls Abwärtskorrekturen voraus – wohlgemerkt unter Berücksichtigung der Tatsache, dass einzelne geplante Maßnahmen zunächst auf Eis gelegt worden waren. Die Unsicherheit bleibe trotz Entspannungen allgegenwärtig, da sich die Zollsätze ganz allgemein auf einem „Jahrhunderthoch“ bewegen.

Industrie fürchtet hohe Preise und Knappheit bei Chinas Seltenen Erden
Wie schließt sich nun der Kreis zum Thema Rohstoffe? Der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) zeigte sich wegen der restriktiven Exportpolitik bei Seltenen Erden aus China besorgt. Obwohl die Volksrepublik vorrangig auf die US-Zölle reagiert, sind die aktuellen Exportkontrollen des Hauptproduzenten China eine Bedrohung für die Wirtschaft. Verbandschef Wolfgang Weber unterstrich im April die Bedeutung eines ebenso freien wie verlässlichen und nachhaltigen Zugangs zu strategischen Rohstoffen. Innerhalb der EU sei Deutschland von der chinesischen Versorgung besonders abhängig. 3.400 Tonnen der wertvollen Stoffgruppe wurden 2024 aus China importiert. Das entspricht einem Anteil von 65,5 % an den Gesamtimporten.
Europa darf nicht den Kontakt zu China verlieren
Weber sprach sich für rasche Übereinkünfte zwischen Deutschland bzw. der EU und Peking aus. Nur so könne der Industrie ein gesicherter Zugang zu Rohstoffen garantiert werden. Im selben Atemzug fordert der Verband das Ende der einseitigen Abhängigkeit von einzelnen Ländern, womit abermals vor allem China gemeint ist. Die chinesische Markt-Dominanz ist kein Novum; die Exportbeschränkungen aber sind inzwischen noch schmerzvoller für Europas Wirtschaft als vor Trumps zweiter Amtszeit. Für die Regierung Xi Jinpings sind Restriktionen inzwischen eines der wichtigsten Druckmittel. Zur Erinnerung: Infolge der letzten Exportbeschränkungen im Jahr 2011 hatten die Marktpreise dramatisch angezogen. Einmal mehr sind US-Regierungsentscheidungen mitverantwortlich für den neuesten Preistrend.
MP Materials aus Las Vegas kündigte im April an, infolge der Exportbeschränkungen und der hohen Zölle auf US-Importe kein Erz mehr zur Weiterverarbeitung nach China liefern zu wollen. Als Argument nannte der Konzern unter anderem die Wahrung der US-Interessen und fehlende kommerzielle Anreize.
Seltene Erden bleiben Störfaktor für die Preisplanung
Der Neodym-Preis ist an dieser Stelle Sinnbild für die gestiegenen Kosten aller Seltenen Erden. Im Jahr 2024 war der Kurs des Rohstoffs stetig gefallen. Zum Jahreswechsel notierte der Preis noch knapp unter 500.000 Yuan (ca. 69.350 US-Dollar). In der ersten Phase des Monats April war der Kurs nach einigen stärkeren Bewegungen bei gut 556.000 Yuan angekommen. Danach folgte eine Bereinigung, bevor der Preis zum Redaktionsschluss im Bereich um 546.000 Yuan in einer Seitwärtsbewegung angekommen zu sein schien.

Die Konflikt-Eskalation wird den Kampf um Seltene Erden verschärfen
Die Preise anderer Seltener Erden wie Terbium bestätigten seit Ende des 1. Quartals einen drohenden Aufschwung. Der Preisaggregator Benchmark Mineral Intelligence wies für Terbium Ende April ein Preisplus um 24 % (rd. 933 US-Dollar pro Kilogramm) binnen eines Monats aus. Der Markt biete noch ausreichende Vorräte. Im Jahresverlauf seien jedoch im Fall einer Zuspitzung des Zollstreits merkliche Engpässe zu erwarten. Warum diese Erwartung zutreffend sein kann, zeigen Details zur Produktion Seltener Erden. Gemessen an der überstaatlichen Produktion gehen pro Jahr 45.000 Tonnen auf das Konto der USA. Chinas Volumen belief sich im Referenzjahr 2024 auf gut 270.000 Tonnen der Mineralien. Ein Ende dieser Vormachtstellung ist schon ressourcenbedingt undenkbar.
Bestrebungen der USA und Europas stoßen zwangsläufig an Grenzen, wobei höhere Standards zur Förderung eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Die EU-Kommission beziffert den Bedarf an Seltenen Erden zum Jahr 2030 durch den Ausbau erneuerbarer Energien, der E-Mobilität und der neuen Technologien bei Künstlicher Intelligenz auf 188.300 Tonnen. Ohne China ist dieser Wandel nicht realisierbar.
Schlechtere US-Bonität hält Goldnachfrage auf hohem Niveau
Der Klassiker unter den Indikatoren für die Bewertung der Wirtschaftslage durch Anleger und Industrie ist und bleibt das Edelmetall Gold. In genau diesem Umfeld sind die Ängste der Marktteilnehmer weiterhin offensichtlich. Die Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA von der Bestnote „Aaa“ auf „Aa1“ durch die Agentur Moody’s – nachdem Fitch Ratings und S&P Global bereits eine Korrektur vorgenommen hatten – führte zu einer satten Erholung des Kurses. Mitte Mai gab es tatsächlich Hinweise auf einen längeren Wertverlusts bei Gold. Durch nachlassende globale Handelsspannungen hatte der sichere Anlegerhafen kurzfristig an Attraktivität eingebüßt. Schwächere US-Inflationsdaten, wie sie von der US-Notenbank angemahnt wurden, legen inzwischen einen preislichen Rebound nahe.

Ohne Korrekturen hätte sich der Goldpreis seit 2020 durchaus verdoppeln können. Im Frühjahr 2025 musste sich der Kurs allerdings mit einer Bereinigung arrangieren. In den 4 Wochen vor Redaktionsschluss brach der Preis um 6,5 % ein. Ein Kurs über 3.000 US-Dollar dürfte aber sicher sein. Zu eindeutig sind die Signale des Marktes mit Bezug zur unsicheren weltweiten Wirtschaft. Nehmen die Probleme der USA zu, dürften sich Prognosen von Kursen jenseits von 3.500 US-Dollar und mehr endgültig bewahrheiten.
Die Dollar-Probleme haben Schlimmeres am Rohstoffmarkt verhindert
Der Einfluss der USA auf die Rohstoffpreise war bisher interessanterweise weniger stark als gedacht. Der chinesische Auslandssender CGTN kam zur Erkenntnis, dass die Weltrohstoffpreise im April 2025 auf Basis des US-Dollars im Schnitt um 2,2 % gefallen waren. Im Direktvergleich zur Inlandswährung habe sich das Minus sogar auf 5,8 % belaufen. Schuld sei unter anderem die Aufwertung des Euros zum US-Dollar in den letzten Monaten. Die scheinbaren Schikanen der US-Regierung waren während der vergangenen 3 Monate eher wirkungslos. Für den weiteren Verlauf der Rohstoffpreise werden Chinas Reaktionen auf Trumps Zollpolitik entscheidend sein. Im asiatischen Raum ist der Zuspruch für Gegenmaßnahmen der chinesischen Regierung durchaus erheblich, wie unterschiedliche Befragungen innerhalb der Wirtschaft und Bevölkerungen seit Beginn des Konflikts zeigen.
Chinas vorsichtige Öffnung beim Thema Exporte
Aus deutscher Sicht gab es aus Fernost im Mai vereinzelte positive Meldungen. Vor allem bei Permanentmagneten. Diese sind nicht allein in der Automobilbranche gefragt, spielen dort aber eine besonders wichtige Rolle. 2024 wurden 9.000 Tonnen dieser Magnete aus China eingeführt. Nach Beschränkungen für den Export berichteten Medien, Peking habe Herstellern von Seltenen-Erden-Magneten zuletzt erstmals seit dem verhängten Stopp wieder Exportlizenzen erteilt. Etwas entspannter konnten Einkäufer im Frühjahr auf den Rohstoffmarkt insgesamt blicken. Nachdem sich der HWWI-Rohstoffpreisindex seit Oktober 2024 durchgehend in einem Aufwärtstrend befand, zeigte der Indikator in der Zeit von Februar bis April 2025 negative Wachstumsraten. Im April notierte der Index 7,6 % unter seinem Stand aus April 2024. Ausgelöst wurde die Korrektur vorrangig durch stark gefallene Energiepreise.

Im 1. Quartal verzeichnete der Index mit 0,5 % ein überschaubares Plus. Von Q4 2024 zu Q1 2025 wiederum war ein Anstieg von 3,4 % erkennbar. Deutlich wird die Misere des Einkaufs im Vorjahresvergleich: Gegenüber dem 1. Quartal des Jahres 2024 notierte der Index 2025 zum Ende des 1. Quartals 2025 11,4 % höher. Der mit Schwerpunkt auf die bayerische Wirtschaft ausgerichtete vbw-Rohstoffpreisindex lässt sich auf die bundesdeutsche Lage übertragen. Von Preisen wie vor Corona sind sowohl die Edel- als auch die Industriemetalle weit entfernt.
INFO: INITIATIVE STATT ÄNGSTLICHEM ABWARTEN
Die EU-Forderung nach Geschlossenheit im gemeinsamen Wirtschaftsraum sollten auch Unternehmen und Branchen beherzigen. Marktknappheiten, wie es sie bei vielen Rohstoffen längst gibt, werden nicht so bald oder gar nicht mehr verschwinden. Neue Bündnisse mit Partnern in Europa und anderen Staaten abseits des in vielen Bereichen dominierenden Marktführers China sind ratsam. Beispielsweise im wichtigen Bereich Rohstoffrecycling. So können Engpässe und neue Rekordpreise mit etwas Glück teilweise aufgefangen werden.
Experten: Flächendeckende Preisentspannungen sind nicht realistisch
Dass Werte wie Kupfer, Nickel oder Aluminium seit Jahresbeginn an einer Stabilisierung scheitern, ist ein schwacher Trost für die Industrie. Im Referenzmonat scheint diese Stabilität zusehends erreicht, erste leichtere Gewinne hat es gegeben. Das kurzfristige Risiko für den Rohstoffmarkt geht von der Frage aus, wie lange die USA und China auf einen schärferen Ton in Gesprächen am Verhandlungstisch verzichten werden. Vom US-Präsidenten dürfte die größte Gefahr für den globalen Rohstoffmarkt ausgehen.
INFO: KERNAUFGABE DER INDUSTRIE: VORBEREITUNG AUF DEN ERNSTFALL
Wie in jeder Krise ist Hoffnung allein wenig zielführend. Vergleichbare frühere Schieflagen haben gezeigt, dass Rohstoffpreise selten auf ihr Vorkrisenniveau zurückkehren. Ein überraschend schnelles Ende des Zollkriegs wird diese Erfahrungen nicht widerlegen. Durch vorausschauende Planungen – ohne inzwischen unzuverlässige Lieferanten wie aus China – können Unternehmen für mehr Sicherheit sorgen. Ohne die großen Versorger wird es nicht gehen. Im Einzelfall zeigt aber das Drehen an kleinen Stellschrauben im geschäftlichen Alltag bereits Wirkung.